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Assalamu alaikum und Willkommen!
Ich kann mich noch aus meiner Zeit als Auszubildende in der Krankenpflege erinnern. Man hatte die Möglichkeit gehabt, seine Ausbildung entweder in einer psychiatrischen oder einer somatischen Klinik (klassische Krankenhäuser) zu absolvieren. Während meiner Ausbildungszeit konnte ich mir Einblicke in beide Bereiche verschaffen. Dabei ist mir sehr häufig die „Konkurrenz“ zwischen beiden Bereichen aufgefallen. Die Somatik wurde als kühl und robotisch dargestellt, die Psychiatrie und die jeweiligen Erkrankungen, die dort behandelt wurden, entweder als extrem oder die Krankheiten wurden erst gar nicht ernst genommen. Ich war froh, dass ich meine Praxiseinsätze in beiden Abteilungen absolvieren konnte. Dies hat mir nämlich die Vorzüge und Nachteile beider Arbeitsfelder aufgezeigt.
Was mir die Differenzen der beiden Arbeitsbereiche deutlich gemacht haben, war, dass psychische Erkrankungen bis heute mit Vorurteilen behaftet sind. Jemand, der an Schizophrenie erkrankt ist, wird als „Verrückter“ bezeichnet. Eine an Depression erkrankte Person solle sich zusammenreißen, dann würde sie sich schon wieder besser fühlen. Menschen werden manchmal durch ihre jeweilige Erkrankung, mit der sie geprüft werden, definiert und damit abgestempelt. Der Mensch ist aber mehr als seine Hautfarbe, mehr als sein Beruf, mehr als seine soziale Rolle und definitiv mehr als seine Erkrankung! Den Kampf, den Betroffene jeden Tag durchleben müssen, zerrt an ihren Kräften. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, wie sehr sie darunter leiden.
Es ist eine Prüfung von Allah (swt), genau so, wie jede körperliche Erkrankung eine Prüfung für uns Menschen ist. Wieso werden psychische Erkrankungen nicht ernst genommen? Die Seele ist es doch, die ewig währt. Seele und Körper beeinflussen sich gegenseitig. Wieso werden dann eher körperliche Erkrankungen ernst genommen? Psychische Erkrankungen sind vielleicht nicht so offensichtlich wie körperliche Erkrankungen, beeinflussen aber das Wohlbefinden und die Gesundheit des Menschen massiv.
Eine Depression schafft es beispielsweise, dass Betroffene nicht sie selbst sein können. Man kann sich das wie eine Spirale vorstellen. Je tiefer man unten ist, desto länger und schwieriger ist es, wieder aufzusteigen. Man muss mehr Energie und Kraft aufwenden, um leichtere Tätigkeiten auszuführen. Aber genau diese Energie fehlt den Betroffenen aufgrund der Erkrankung. Und als ob das nicht schwer genug ist, müssen viele Betroffene mit dem Stigma der Erkrankung klarkommen. Was meiner Meinung nach auch widersprüchlich ist, da man in Zusammenhang mit anderen Faktoren auch eine Depression bekommen kann, wenn man sich verstellen muss, um in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Dasselbe Beispiel in Bezug auf Suchterkrankungen. Es wird in vielen Kulturen als normal angesehen, Alkohol zu konsumieren. Es ist überall verfügbar, sobald Menschen jedoch an einer Alkoholabhängigkeit leiden, werden sie zu oft von denen stigmatisiert, die selber Alkohol konsumieren.
Eine Erkrankung entsteht aufgrund verschiedener Faktoren. Es ist niemals nur eine einzige Ursache als Auslöser verantwortlich. Deshalb ist ein Mensch auch niemals schwach, wenn er an einer psychischen Erkrankung leidet. Im Gegenteil! Allah (swt) prüft jeden Menschen mit etwas, was er bewältigen kann! In einem Hadith wird überliefert: „Wenn Allah (swt) jemanden liebt, dann prüft Er ihn.“1
Ich möchte uns alle mehr dafür sensibilisieren, Rücksicht auf unsere Mitmenschen zu nehmen. Als Erstes uns selbst, dann unseren Nächsten empathisch gegenüberzutreten. Allein das Gefühl, von seinem Mitmenschen verstanden zu werden, erleichtert einem die seelische Last, die man mit sich trägt. Als ich meine Ausbildung begonnen hatte, wollte ich „die Welt retten“. Ich wollte allen Menschen in meinem Umfeld helfen, sie verstehen. Bis ich begreifen musste, dass es nicht so leicht und vor allem nicht so schnell geht. Am Ende gehen wir alle unseren eigenen Weg, aber seelischen Support von Mitmenschen zu bekommen, kann diesen Weg erleichtern. Diesbezüglich möchte ich dich und mich animieren, auf unsere Nächsten achtzugeben. Ein ehrliches Lächeln kann schon viel bewirken. Der Prophet (saws) sagte: „Das Lächeln in das Gesicht deines Bruders ist eine Sadaqa!“2 Somit tun wir nicht nur unseren Mitmenschen was Gutes, sondern gleichzeitig uns selbst! Denn wenn wir andere Menschen glücklich machen, machen wir uns selber glücklich.
Ich hoffe sehr, dass dir der Beitrag gefallen hat. Ich würde mich sehr über einen Kommentar oder eine Nachricht über deine Gedanken und Erfahrungen freuen! Teile den Beitrag gerne mit deinen Nächsten!
Bis dahin,
deine MindfulMuslima
Sahih Al-Bukhari, Hadith-Nr. 5645
Sunan At-Tirmidhi, Hadith-Nr. 1956
Danke für deinen Artikel.
Dieses Thema ist sehr wichtig und vorallem in der muslimischen commninity wird dies gerne mal bis zum Tot tabuisiert.
Gerade in unserer commninity muss bezüglich dieses Thema viel Verständnis und Ernsthaftigkeit gezeigt werden.
Du hast es richtig beschrieben. Es geht hier um unsere Seele. Das was ewig bleibt und niemals sterben wird.
Wir unsere Körper mal sterben werden unsere Seelen weiterleben.
Ich denke das Problem in unserer commninity ist, wir sind nach Kultur statt Islam erzogen worden. Und wenn man erheblich ist, leben wir immer noch danach.
Für viele heißt Muslimisch sein, nur beten, fasten, zakat zahlen und hijab tragen. Aber es ist so viel mehr. Es ist der sensiblen Umgang mit unseren Mitmenschen.
Wir sollten nicht vergessen über was unsere geliebten Prophet Mohammad (sws) als erstes gepredigt hat: die Seele. Er hat die Herzen der Menschen berührt und zwar nicht mit Regeln und Gesetze, was erlaubt und was nicht ist. Auch nicht was haram und ayb ist, sondern er hat mit den Menschen gesprochen, über ihren Kummer, wünsche, Hoffnungen.
In der heutigen Zeit macht das niemand mehr, nicht einmal Eltern mit ihren Kindern.
Die damaligen Muslime waren vertrauensvoll, diskret, sensiblen und Verständnisvoll. All diese Dinge sieht man hier nicht mehr.
Ich frage mich ob wir, die Muslime die im Westen leben und aufgewachsen sind uns verwestlich haben?