Hijab und öffentliche Kommentare
"Sie trägt noch nicht einmal den Hijab" - Wie wir als Muslime den Respekt bewahren können
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Assalamu alaikum und herzlich willkommen!
Heute möchte ich über ein Thema sprechen, das mich einerseits an Überwindung gekostet hat. Andererseits fällt mir diese Problematik sehr häufig auf und sorgt auch für Konflikte, weshalb ich meine Gedanken dazu loslassen muss.
Es geht um den Umgang mit unseren Glaubensschwestern, die keinen oder noch keinen Hijab tragen. Mir ist über Jahre hinweg aufgefallen, dass sie vor allem auf Social Media öffentlich in den Kommentaren schlecht gemacht werden, insbesondere wenn sie einen großen Einfluss auf ihre Follower zu haben scheinen. Oft wird diese öffentliche Bloßstellung damit begründet, dass man sie zurechtweisen und daran erinnern möchte, dass man sich im Islam (sowohl als Mann als auch als Frau) ordnungsgemäß bedecken muss.
Ich selber trage Hijab und beurteile auch nicht die Tatsache, dass der Hijab für Muslime verpflichtend ist. Ich befürworte die Notwendigkeit dafür und trage es auch aus Überzeugung, weil ich die Weisheit und die Schönheit dahinter verstanden habe. Warum ich dieses Thema jedoch anspreche, liegt daran, dass ich es traurig finde, wie man in Bezug darauf angesprochen wird. Und was mich noch trauriger macht, ist, dass diejenigen, die Muslime öffentlich kritisieren, sogar wütend und ausfallender reagieren, wenn die „ermahnten“ Schwestern nicht mit Dankbarkeit und Verständnis reagieren. Und ich kann dies vollkommen nachvollziehen.
Niemand mag es, in der Öffentlichkeit ermahnt zu werden, geschweige denn, vielleicht sogar überhaupt ermahnt zu werden, sofern man für sich selber keine Fehler zulässt. Und man kann nicht erwarten, dass die Person, die respektlos behandelt wird, mit Freundlichkeit reagiert. Oftmals äußern Frauen, die öffentlich wegen dieser Tatsache bloßgestellt werden, noch nicht mal Hass oder Wut, sondern sind einfach nur verletzt und bitten darum, in dieser Hinsicht mit etwas mehr Sensibilität heranzugehen. Und darauf reagieren die meisten dann leider ebenfalls mit Unmut und fehlender Empathie. Jedoch kann es nicht sein, dass wir uns gegenseitig niedermachen und öffentlich bloßstellen. Der Islam toleriert dieses Verhalten in keinster Weise. Der Islam lehrt uns in vielerlei Hinsicht, dass wir nicht auf unser Äußeres reduziert werden. Dass unsere Herkunft bei Allah (swt) nicht unseren Rang erhöht oder erniedrigt. Dass Frauen ihren Körper nicht preisgeben müssen, um angesehen zu werden und einen Beitrag in der Gesellschaft leisten zu können. Weshalb werden wir dann auf unseren Hijab reduziert?
Die Frage klingt provokant, aber stell dir einmal vor, du leistest als Muslima einen enormen Beitrag für die muslimische Umma sowie die ganze Gesellschaft und machst dies aus puren Absichten und reinem Herzen. Das Erste, worauf du reduziert wirst, ist, dass du keinen Hijab trägst. Wir müssen lernen, den Charakter unseres Gegenübers zu sehen und ihn als Menschen als solches wertzuschätzen. Der Hijab ist im Islam Pflicht - das stimmt - so ist es aber auch Pflicht im Islam, sich gegenseitig respektvoll und wertschätzend zu behandeln, sich nicht gegenseitig zu erniedrigen und vor anderen bloßzustellen.
Der Islam lehrt uns sogar, wie wir uns gegenseitig erinnern und beraten sollen! Er Islam legt einen enormen Wert auf Charakter und Benehmen. In einem Hadith sagt der Prophet (saws), dass er aus dem einzigen Grund, auf die Menschheit herabgesandt worden ist, um den guten Charakter zu vervollkommnen. 1 Er (saws) sagte außerdem: „Der im Glauben vollkommene Gläubige ist der, dessen Charakter vollkommen ist.“ 2 Sollten wir dann nicht alle dort ansetzen? An unserem Charakter und unserem Benehmen arbeiten, da dies der Schlüssel zum Paradies ist?
Denn eines der wichtigsten Tugenden, die wir haben sollten, ist Aufrichtigkeit in allem, was wir tun. Das ist die Basis unserer Handlungen und somit auch der Ermahnungen und Erinnerungen, die man seinen Mitmenschen gibt.
Dementsprechend ist es ebenfalls wichtig, den Hijab aus aufrichtigen Gründen zu tragen. Aber das können wir nicht erreichen, wenn wir von unseren Glaubensgeschwistern verurteilt werden, noch keines zu tragen. Das würde uns nämlich dazu veranlassen es zu tragen, damit uns niemand mehr verurteilt … und als Muslim sollen unsere Handlungen darauf basieren, sie für Allahs Wohlgefallen auszuführen.
Ich möchte dich und mich mit diesem Beitrag daran erinnern, dass wir unsere Handlungen und Worte stets überdenken und uns im Voraus fragen, ob es mit einer guten Absicht gewollt ist. Wenn wir uns gegenseitig respektvoll begegnen, uns auf schönster Art und Weise ermahnen und erinnern, insbesondere hier mit Empathie aufeinander eingehen, können wir eine starke Community aufbauen, die auf Wertschätzung basiert und somit uns und andere unterstützt. Wir sind als Gemeinschaft sehr stark, wir müssen aber lernen, diese Gemeinschaft durch gegenseitigen Respekt stark zu halten. Vor allem auch deshalb, weil der Islam von außen stark angegriffen wird.
Mir ist es auch sehr wichtig, zu zeigen, was der Islam im Gegensatz zu dem, was in den Medien dargestellt wird, wirklich ist. Nicht umsonst trägt der Islam seinen Namen, was nichts anderes als „Frieden in der Hingabe zu Allah“ bedeutet. Und mit den Charaktereigenschaften, Tugenden und Benehmen, die der Islam uns mithilfe des Qu‘ran und der Sunnah des Propheten (saws) lehrt, können wir ein friedliches Miteinander erreichen, in sha Allah.
Außerdem liegt es mir sehr am Herzen, uns für dieses Thema zu sensibilisieren. Es ist keineswegs meine Absicht, irgendjemanden anzugreifen. Es ist nicht leicht, sich gegenseitig auf falsche Verhaltensweisen hinzuweisen. Aber wir sind alle Menschen und machen Fehler, was das Natürlichste der Welt ist.
Ich hoffe, ich konnte dich zum Nachdenken anregen und vielleicht liest das auch die ein oder andere Schwester, der ich mit meinen Worten etwas Trost und Halt spenden konnte. Wir alle werden uns bis zum Lebensende stetig weiterentwickeln. Der einzige Unterschied besteht darin, wann wir uns wie entwickeln. Aber mit gegenseitigem Support und Verständnis können wir uns die Hürden im Leben ein wenig erleichtern.
In diesem Zusammenhang möchte ich dich und mich ebenfalls daran erinnern, dass Allah (swt) den Qu‘ran Stück für Stück und nicht in einem Ganzen herabgesandt hat. Lasst uns das als Gleichnis nehmen, unserer Entwicklung Schritt für Schritt nachzugehen und nicht zu streng mit unseren Glaubensgeschwistern zu sein.
Lass mich gerne in den Kommentaren wissen, was du über das Thema denkst und welche Erfahrungen du gemacht hast. Lasst uns einander gemeinsam Halt geben!
Deine MindfulMuslima
Muwatta, Husn al-Hulk, 8; Ahmad b. Hanbal, 2/381
Abû Dâwûd, Sunna, 15
Ich bin Nonhijabi und muss mir auch hin und wieder von HIJABIS und Nonmuslime rechtfertigen, warum ich keinen Hijab trage, als gläubige Muslima sei das ja wichtig etc. Es ist frustrierend mich, meine Handlungen und meine Entscheidungen immer wieder zu erklären. Ich meine was geht das den Menschen an? Warum mischen sich Menschen in das Leben andere an, mit denen sie wenig bis gar nichts zutun haben? Ich habe den Eindruck, viele haben keine andere Beschäftigung oder sehen das Leben anderer als Unterhaltung an. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass viele die Grenzen anderer Menschen nicht sehen und nicht sehen wollen. Man könnte auch glauben, sie seien einfach neugierig und haben somit den drang, aber das ist keineswegs eine Rechtfertigung. Ich selber bin ein sehr Neugieriger Mensch und hinterfrage Dinge, aber etwas was privat ist, bleibt in meinen Augen auch privat und ich habe kein Recht nachzufragen. Seit dem ich denken kann, haben mir Menschen gesagt ich sei neugierig aber niemals habe ich bei privaten Dingen, die mich was an gehen nachgehackt. Mir war das erst nach eine Situation in der Oberstufe bewusste. Ich hatte mich umgesetzt und da meinte meine Sitznachberin zu mich, dass sie froh sei, daß ich nun neben ihr sitze und nicht Person x. Ich hatte gefragt warum. Sie antwortete, weil die Person x die ganze Zeit über in ihre Angelegenheit eingemischt hat. Da habe ich das erste mal verstanden, ich bin zwar neugierig aber ich kenne die Grenzen zwischen mir und meinen Mitmenschen.
Grenzen. Das ist ein gutes Wort.
Es gibt Grenzen und ich habe den Eindruck die Menschen interessieren sich nicht dafür außer jemand überschreitet ihre Grenzen.
Welche paradox.
Mittlerweile wundert es mich nicht wenn Menschen sich mehr und mehr zurückziehen und wenige bis niemanden an sich heran lassen.