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Assalamu alaikum und Willkommen!
Würde man das jemanden fragen, der aufgrund seines Wesenszugs und seiner Art eine laute Stimme hat oder ganz einfach nur lebhaft, offen und kommunikativ ist, würde der oder diejenige sich wundern, warum diese Frage gestellt wurde. Zu Recht. Denn diese Frage würde die Message beinhalten „Du bist komisch, so wie du bist. Das stört mich.“
Häufiger bekommen Menschen jedoch die Frage gestellt „Warum bist du so still?“ Diese Frage wird mir von klein auf gestellt und jedes Mal kam mir der Gedanke auf „Was stimmt denn mit mir nicht?“
Jeder der das kennt, weiß wie ermüdend es ist, sich für sein Naturell rechtfertigen zu müssen. Denn auch wenn unser Gegenüber damit indirekt an uns die Bitte richtet, miteinander zu kommunizieren, kommt in einem mit dieser Frage das Gefühl auf, dass man so wie man ist, nicht in Ordnung ist.
Klar kann man in bestimmten Situationen weniger reden als sonst, wenn man sich beispielsweise nicht gut fühlt, wenn einen was bedrückt und man gerade nicht das Bedürfnis oder die Energie hat, zu reden. Aber es kann auch schlicht und einfach sein, dass man introvertiert ist und nach außen hin ruhig oder sogar schüchtern erscheint (was nicht zwangsläufig bedeutet, dass introvertierte Menschen schüchtern sind) aber im Inneren tausende von Gedanken, Gefühlen und Ideen hat, die in diesem Moment nicht nach außen getragen werden.
Ich habe jahrelang versucht, mein Naturell nicht nach außen zu zeigen, mich gesprächiger und geselliger darzustellen, mit der Folge, mir selbst nicht mehr treu und natürlich auch nicht authentisch zu sein.
Ganz oft kam mir bei diesem Thema die Frage auf, weshalb eher Introvertierte nach ihrem Verhalten gefragt werden, aber seltener Extrovertierte. Der Unterschied beider Wesenszüge besteht im Großen und Ganzen darin, dass Introvertierte ihre Energie daraus ziehen, eine gewisse Zeit alleine zu verbringen und sich viel mit dem, was sich im Inneren abspielt zu beschäftigen und Extrovertierte ihre Energie aus dem Zusammensein mit anderen Menschen ziehen, den Interaktionen und allgemein der Stimulation von außen.
Beides einfach verschiedene Arten seine Batterien wieder aufzuladen. Jedoch scheint es häufiger aufzufallen, wenn man eher geneigt ist, sich kurzzeitig zurückzuziehen, um wieder Energie zu tanken. Das lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass es laut Statistik etwa 75 % Extrovertierte und 25 % Introvertierte auf der Welt gibt. So fallen Introvertierte einfach viel eher auf, weil sie seltener vertreten sind. Das Problem, das sich daraus ergibt, ist, dass sich Introvertierte, die in einer Gruppe anwesend sind, in welche eher Extrovertierte vorhanden sind, eher dafür rechtfertigen müssen, einen anderen Wesenszug zu haben.
Die Norm in der Gesellschaft scheint das zu sein, was häufiger vorkommt. Und die Norm in diesem Fall scheint die Extravertiertheit zu sein, da sie in der Gesellschaft in der Mehrzahl vorkommt. Dadurch können solche Fragen entstehen wie „Warum bist du so still?“ Aber vielleicht kommen solche Fragen auch deshalb vor, weil die Stille uns Menschen Angst machen kann. Denn Stille bringt uns dazu, uns mit unseren Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen. Und das bedeutet hauptsächlich, sich mit sich selbst zu befassen. Und mir persönlich macht es Angst, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Aber ich glaube auch, dass die Angst in jedem von uns vertreten ist. Denn sich mit sich selbst zu befassen, heißt auch, sich mit seinen negativen Gefühlen und Erfahrungen auseinanderzusetzen, mit den eigenen Fehler und Handlungen, die bewusst oder unbewusst ausgeführt wurden.
Um sich mit diesen ganzen Sachen nicht beschäftigen zu müssen, ist es angenehmer, diese Stille erst gar nicht aufkommen zu lassen und den eigenen Gedanken, die tief in jedem von uns verankert sind, keine freie Fläche zu bieten. Aber versteh mich nicht falsch, auch Introvertierte haben damit zu kämpfen, sich mit sich selbst und ihren negativen Erfahrungen und Gefühlen intensiv zu befassen. Es ist grundsätzlich kein Leichtes, sich selbst so zu sehen, wie man wirklich ist, und das mit seinen Schwächen, Fehlern und Makeln.
Was ich im Großen und Ganzen aber sagen möchte, ist, dass beide Wesenszüge etwas Schönes an sich haben. Die Introversion, weil man durch dieses Naturell etwas einfacher dazu geneigt ist, über sich und alles andere nachzudenken. Denn es ist wichtig, sich selbst zu reflektieren, um sich auch weiterentwickeln zu können. Und die Extravertiertheit, weil man dadurch etwas einfacher soziale Kontakte knüpft und mit allen Menschen offen interagiert, was ebenfalls sehr wichtig ist, da soziale Interaktionen eine Bereicherung sind und auch zur Weiterentwicklung dienen. Auch hier finde ich, dass sich beide Persönlichkeitseigenschaften ergänzen können. (Ganz nach dem Motto, wenn einer redet, muss ein anderer zuhören ;) )
Und jeder von uns hat sowohl einen extrovertierten als auch einen introvertierten Anteil in sich.
Ich hoffe sehr, dass ich die unsichtbare Kluft zwischen Extro- und Introvertierten entfernt und wir unsere Eigenschaften gegenseitig respektieren und wertschätzen und einen Nutzen daraus ziehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es seinen Sinn hat, warum wir Menschen mit diesen beiden gegensätzlichen Eigenschaften erschaffen wurden.
Lass mir gerne einen Kommentar da, welche Gedanken du zu dem Thema hast und welche Erfahrungen du als Introvertierter sowie als Extrovertierter gemacht hast. Ich hoffe, der Beitrag hat dir gefallen. Ich freue mich, von dir zu hören!
Deine Mindfulmuslima
Salam alikum,
Ich (Extrovertiert) danke dir sehr für den Einblick in das Leben eines Introvertierten.
Nun möchte ich dir bzw euch einen Einblick in das Leben eines Extrovertierten geben.
Natürlich kann ich nur von meinen Erfahrungen sprechen und spreche nicht für andere Extrovertierte. Wir Extrovertierte sind nicht gleich, sondern so unterschiedlich wie man nur sein kann.
Fragen wie : Warum bist du so laut, habe ich noch nie gestellt bekommen. Aber fragen wie, warum redest du wie ein Wasserfall oder warum bist du anderes als Person x (Introvertierte Person) schon.
Immer wieder hatte ich den Eindruck, Introvertierte werden in der Gesellschaft viel besser aufgenommen und müssen sich für ihr Natrurell nicht rechtfertigen,werden ernst genommen und erscheinen seriöser zu sein. Introvertiert zu sein erschien mir als ideal in der Gesellschaft. Anders als bei mir der Extrovertierten. Wenn ich mal etwas kluges gesagt habe, war mein Gegenüber immer erstaunt darüber das ich dieses und jenes weiß. Und ich wurde auch gerne gefragt woher ich diese Dinge weiß. Nach dem Motto: Bist du nicht zu dumm, zu naiv, zu Freundlich, zu gesellig, um diese dinge zu wissen.
Seit meiner Schulzeit ist das so. Einmal habe ich Mathe Nachhilfe gegeben und der Lehrer konnte nicht glauben dass ich Mathe kann. Er meinte dann, er hat angenommen ich würde Mathe Nachhilfe erhalten. Ich habe immer wieder den Eindruck gehabt, die Leute denken, ich kann nichts und belächel mein wissen aber auch mein wesen. Und auch bezüglich der Glaubwürdigkeit gab es immer wieder Schwierigkeiten.
Während meines Studiums habe ich ein Seminar gehabt, in der ich mit meiner Partnerin und sehr gute Freundin (Introvert) einen Vortrag halten musste. Jeder hatte einen Teil zu dem er was vorbereiten sollte. Zu einem kleinen Teil zu meinem Thema habe ich wenig gefunden und ich habe Tage damit verbracht danach zu recherchieren. Nach dem Vortrag, hat der Prof bemängelt dass wir zu dem kleinen Teil meines Themas so wenig recherchiert hatten. War aber im allgemeinen zufrieden. Meiner Partnerin und Freundin anscheinend nicht. In der Pause wollte sie wissen, wieso ich dazu so wenig gefunden habe. Ich hatte es ihr erklärt. Dann kam von ihr " wetten, wenn ich das google, werde ich jede Menge was dazu finden!" Und dann mit einem herablassenen "du liegst mal wieder falsch" Blick. Ich habe dazu nichts gesagt, denn hat es mich verunsichert und auch genervt. Monate später hat sie dazu was recherchieren müssen und meinte, dass man zu diesem einen Teil wirklich nichts finden konnte. Aber eine Entschuldigung für ihr vorherige Anschuldigung gab's nicht.
Immer wieder muss ich mich rechtfertigen, wenn etwas nicht so klappt wie es sein sollte. Ich merke gerade wie ermüdend und deprimiert das immer war. Es ist erschreckend, was man alles abbekommt, wenn man in der Freundschaft sein Naturell zeigt und am Ende kommt raus was die genannte Freundin wirklich von mir hält bzw wie ich für sie und andere von außen erscheine.
Ich machs mal kurz: naiv, unbeholfen, hilflos, kindlich und noch anderes was ich verdrängt habe.
Das hat sie mir mal aus dem nichts erzählt, bei mir zuhause, bei einer Tasse Tee.
Ich war total geschockt und es hat mir sehr weh getan, denn diese dinge aus dem Mund nicht irgendeiner Person sondern dieser für mich wichtigen Person zu hören, war schrecklich.
Es war so schlimm für mich, dass ich irgendwann beschlossen habe, meine Persönlichkeit in Richtung introvertiert zu ändern. Damit niemand mehr so von mir denkt. Ich wollte nicht mehr reden, lachen,gesellig sein, Freude zeigen. Ein paar Tage hat es auch funktioniert. Aber nicht mit Leichtigkeit. Ich weiß noch wie erschöpft und deprimiert ich abends zu hause war. Wenn ich jetzt zurück blicke, dann weiß ich, dass ich meiner Seele sehr geschädigt habe.
Heute weiß eins: ändere dich niemals für Menschen, sondern tue das weil du Allah und dir gefallen möchtest.
Die Menschen, egal wer, ist es einfach nicht Wert. Selbst wenn sie schlecht von dir denken, ist das nicht dein Problem, sondern deren. Sei dir immer selber treu.
Anderes Sache:
Von uns Extrovertierte wird immer erwartet, dass wir uns in alle Gruppen perfekt einfinden können und wollten. Aber das stimmt nicht. Es kam bestimmt zweimal vor, dass ich mich nicht in einer Gruppe einfinden konnte und wollte. Aber mit einzelnen Personen habe ich mich super verstanden.
Wie du sieht, trotz Unterschiede in der Persönlichkeit, haben wir ähnliche Erfahrungen gemacht und Menschen finden immer etwas zu bemängeln.
Eine tolle Freundin hat mir mal gesagt, eine Person die mit sich selbst im Reihen ist, würde nicht einfach so eine andere Person absichtlich Vorurteilen oder bemängeln.
Ich denke sie hat recht.
Mich würde mal Erfahrungen anderer Extrovertierte interessieren. Was habt ihr so erlebt?