Wie gesellschaftliche Erwartungen unsere Seele formen
Und warum wahre Selbstfindung im Islam beginnt, nicht im Außen
Assalamu alaikum 🤎
Weißt du, was ich kürzlich erkannt habe?
Ich habe erkannt, dass wir uns in unserem Leben sehr schnell uns selbst verlieren können. So subtil, dass wir das über Jahre so machen und nicht mehr merken, dass wir gar nicht mehr wir selbst sind.
Ich habe erkannt, dass wir von anderen, Rollen zugeschrieben bekommen und ohne zu hinterfragen versuchen, diesen Rollen gerecht zu werden.
Ich habe erkannt, dass wir Menschen uns gegenseitig in so vielen Aspekten des Lebens schaden, obwohl wir doch alle im selben Boot sitzen und uns am ehesten nachvollziehen müssten.
Auch habe ich erkannt, dass wir füreinander nicht so viel Liebe, Mitgefühl und Verständnis haben, wie unser Schöpfer das für uns hat.
Und es hat mich fast 30 Jahre gebraucht, um all das zu erkennen.
Ich bin, wie viele von uns, in einer Kultur aufgewachsen, in der man als Frau mental schon früh auf seine zukünftigen Rollen vorbereitet wird: Ehefrau und Mutter.
Ohne zu hinterfragen, wird vorausgesetzt, sich diesen Rollen zu verpflichten. Man lernt sehr früh, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst und den eigenen Haushalt - an sich etwas Gutes, wenn die Intention dahinter passt.
Wenn man als junges Mädchen „Ja und Amen“ zu allem sagt und keine Widerworte gibt (auch wenn es respektvoll geschieht), dann ist man ein gutes Mädchen.
Und so wird es dann auch als Ehefrau und Mutter fortgesetzt. Im Dienste der Familie zu funktionieren. Denn dafür wurde man erschaffen, richtig?
Dass wir als Muslime nicht verpflichtet sind, zu heiraten und eine eigene Familie zu gründen, wird aber nie erwähnt. Dass es eine hoch angesehene Sunnah ist und mit einer enormen Verantwortung einhergeht, wird auch nicht explizit erwähnt. Und dass die Ehe im Islam erst unter bestimmten Bedingungen zur Pflicht wird - kommt auch kaum zur Sprache.
Es ist jedoch, als ob sich alles im Leben um Folgendes dreht: Beruf, Ehe, Familiengründung. Es ist, als ob man im Leben erst etwas erreicht hat, wenn alle 3 Punkte erfüllt sind. Ich finde jedoch, dass man sich darin sehr stark verlieren kann.
Damit meine ich nicht, dass es schlecht ist, im Leben einer Berufung nachzugehen, die es einem ermöglicht, Geld für seinen Lebensunterhalt zu verdienen und einen bestenfalls sogar erfüllt, jemanden zu heiraten, der einem Frieden bringt und mit diesem Menschen eine Familie zu gründen.
Was mir Sorgen macht, ist der Glaube, dass all diese Dinge notwendig sind, um in den Augen anderer Menschen einen Wert zu haben. Dass man vielleicht sogar auf Mitmenschen herabschaut, die nicht in einem bestimmten Alter bereits verheiratet sind und Kinder haben. Und ich kann dir eines sagen: Der gesellschaftliche Druck ist stark.
Dabei macht Allah ﷻ unseren Wert nicht von diesen Faktoren abhängig. Er hat ausnahmslos jeden Menschen, der je gelebt hat, der lebt und noch leben wird, in Würde erschaffen. Der Mensch als solcher ist schon wertvoll. All das Unbehagen, was wir im Laufe unseres Lebens spüren, kommt nicht von dem, was Allah ﷻ für uns vorgesehen hat, sondern von den gesellschaftlichen Anforderungen, die wir selber in die Welt gesetzt haben.
Wir sind alle individuell, mit unterschiedlichen Eigenschaften und Träumen. Das, was uns Menschen meiner Meinung nach aber am meisten verbindet, ist die Sehnsucht nach Frieden. Frieden im Äußeren und ganz besonders Frieden im Inneren. Das ist unsere natürliche Veranlagung. Deshalb ist die Dunja auch nur ein Zwischenstopp für das, was wir wirklich wollen - und zwar Jannah.
Und ich denke, eines unserer größten Prüfungen hier, ist den Spagat zu meistern zwischen Dunja und Akhira. Dass wir uns nicht komplett in unseren Rollen verlieren, sondern uns immer wieder daran erinnern, warum wir überhaupt diese Rollen haben. Was es überhaupt bedeutet, Ehefrau, Ehemann, Mutter oder Vater zu sein. Dass wir uns auch ehrlich reflektieren müssen, um zu erkennen, ob wir bestimmte Entscheidungen treffen, weil wir es für uns selber und unserer Hingabe zu Allah wollen oder weil wir dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt sind.
Es ist wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen, respektieren und wertschätzen. Es gilt jedoch eine Balance zu halten zwischen „gut sein zu anderen“ und „gut zu sich selbst sein“. Wir dürfen uns nicht darin verlieren, es ausschließlich anderen recht zu machen. Da können wir nur verlieren.
Denn: „Allah erlegt keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag.“ 1 Der Mensch jedoch schon…
Was sind deine Gedanken zum Thema?
Deine MindfulMuslima 🤎
Surah 2:286