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Assalamu alaikum und Willkommen!
In meinem ersten Blog-Artikel habe ich bereits beschrieben, wie Rassismus entstanden sein könnte. (Falls du den Artikel noch nicht gelesen hast, dann klicke hier). Mich hat aber auch schon immer interessiert, wann er überhaupt entstanden ist. In Bezug auf diese Frage gibt es eine Geschichte in der Menschheit, die mir sofort eine Antwort auf diese Frage gegeben hat. Bei dieser Geschichte handelt es sich um die Entstehungsgeschichte und noch näher um die Erschaffung des Menschen. Die Erschaffung der Welt und des Menschen ist sowohl aus christlicher als auch aus islamischer Sicht bekannt. In diesem Artikel werde ich auf die Entstehungsgeschichte aus islamischer Sicht eingehen.
Der erste Mensch, Adam (as), wurde erschaffen, nachdem die Erde erschaffen wurde. Den Überlieferungen zufolge wurde dieser aus Lehm erschaffen. Der Lehm bestand aus den verschiedensten Farben und Beschaffenheiten. Es wird beschrieben, dass die Engel schwarzen, braunen, weißen und roten Lehm sammelten sowie Lehm von den Bergen, Tälern, Wüsten, fruchtbaren Gebieten und allem was dazwischen liegt. Somit wurde der erste Mensch und gleichzeitig auch der erste Prophet aus einer Vielfalt heraus erschaffen, die man sich nicht vorstellen kann. Die gesamte Vielfalt, die in diesem einen Menschen innewohnte, hat sich über Jahrtausende hinweg auf die gesamte Menschheit verteilt.
Der Prophet (saws) sagte hierzu: „Wahrlich Allah erschuf Ādam aus einer Handvoll Erde, die Er von überall auf der Erde erfasste, so kamen die Söhne Ādams so wie die Erde hervor, manche rot, schwarz, weiß oder gelb, unter ihnen gibt es Leichtigkeit, Trauer, Schlechtigkeit und Güte.“ 1 Das heißt, dass JEDER Mensch, der je geboren wurde und noch auf die Welt kommen wird, den exakt gleichen Ursprung hat. Und vielleicht stellst du dir jetzt die Frage, wieso wir dann mit Rassismus zu kämpfen haben, wenn unser Stammesvater doch diese enorme Vielfalt in sich hatte.
Um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, müssen wir uns die Wesen näher betrachten, die Allah (swt) neben uns Menschen erschaffen hat. Ich habe bereits die Engel erwähnt, welche die Bestandteile für Adam (as) gesammelt haben. Die Engel sind im Islam reine Wesen, die Allah vollkommen gehorchen und keine Entscheidungsfreiheit haben.
Neben den Engeln gibt es Dschinns. Sie bestehen aus Feuer und sind, so wie Engel, für uns Menschen nicht sichtbar. Die Tatsache, dass die Dschinn aus Feuer bestehen, gibt auch Aufschluss über deren Eigenschaft: Sie haben ein „hitziges“ Temperament und können ihre Emotionen nicht so leicht regulieren wie wir Menschen. (Warum diese Information meiner Meinung nach relevant sein könnte, erkläre ich dir im Verlauf des Blog-Artikels.) Eine Gemeinsamkeit, die Menschen und Dschinn haben, ist, dass sie aus demselben Grund erschaffen wurden. In der Sure 51, Vers 56 des Qu‘rans heißt es: „Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, damit sie Mir dienen (sollen).“ Somit werden beide Geschöpfe von Allah geprüft und können ihren Aufenthalt im Jenseits beeinflussen.
Die Dschinn und die Engel sind vor Adam (as) erschaffen worden. Unter den Dschinn gab es einen, der sehr gottesfürchtig war, einen hohen Rang hatte und sich sogar unter den Engeln aufgehalten hatte, da er Allah (swt) in guter Weise gedient hatte: Iblis.
Als Allah (swt) nun den Engeln verkündete, dass er Menschen erschaffen wird, die über die Erde walten werden, waren die Engel besorgt, dass die Menschen viel Unheil anstiften könnten. Im Qu‘ran steht dazu: ‘Wahrlich, Ich werde auf der Erde einen Nachfolger einsetzen´, da sagten sie: ´Willst du auf ihr jemanden einsetzen, der auf ihr Unheil anrichtet und Blut vergießt, wo wir doch Dein Lob preisen und Deine Herrlichkeit rühmen?´ Er sagte: ´Wahrlich, Ich weiß, was ihr nicht wisset.´“ (Quran 2:30)
Als Iblis erfährt, woraus der Mensch erschaffen werden soll, wird er wütend. Er konnte nicht nachvollziehen, weshalb Allah (swt) sich einer Schöpfung widmet, dessen Herkunft in seinen Augen weniger wert war, als seine Herkunft. Heißt, er hat auf die Tatsache, dass wir Menschen aus Lehm erschaffen wurden, herabgeschaut. Zudem hat auch sein Neid eine große Rolle gespielt, da der Mensch als Geschöpf ausgewählt wurde, um als Statthalter der Erde zu dienen. Hier wird inzwischen deutlich, dass Iblis vermutlich aufgrund seines Temperaments auf diese Weise reagiert hat. Wenn wir die Geschichte jetzt im Kopf nochmal Revue passieren lassen, dann sehen wir, dass Neid, Hass und Arroganz Iblis dazu veranlasst haben, zu denken, dass er besser sei. In diesem Sinne scheint Rassismus tatsächlich auch nichts anderes zu sein. Man schaut auf einen Menschen herab, der aus einem bestimmten Land oder vielleicht sogar einem bestimmtem Kontinent kommt. Man erhebt sich selbst den Anspruch, diesen Menschen als unterlegen anzusehen. Schlimmstenfalls verspürt man Hass gegenüber diesem Menschen. Und ich glaube tatsächlich auch, dass ganz oft Neid eine Rolle spielt. Wieso sollte man nämlich einen Menschen hassen und ihm das spüren lassen wollen, wenn man kein Neid für diese Person verspürt?
Wieso ich dieses Thema anspreche und es mir auch am Herzen liegt, liegt einfach daran, dass die negativen Emotionen, die mit Rassismus einhergehen, fatale Folgen haben. Menschen verletzen einander sowohl psychisch als auch physisch und zerstören sich mit dieser Einstellung.
Ich habe von klein auf Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung gemacht und wurde verurteilt, bevor ich ein Wort sprechen konnte. Ich musste mich in der Gesellschaft mit viel mehr Aufwand beweisen, nur um am Ende doch nicht wertgeschätzt zu werden. Doch schlimmer als mich trifft es Menschen da draußen, die leider sogar ermordet und gequält werden. Es nimmt den Anschein, als ob kein Ende in Sicht sei. Dem ist jedoch nicht so. Auch wenn es nicht so scheint, hat die Menschheit Fortschritte gemacht, die sich unsere Vorfahren vielleicht nicht vorstellen konnten … wofür sie aber gekämpft haben. Und das müssen wir auch weiterhin tun!
Wir müssen uns gegenseitig aufklären, Halt geben, Verständnis füreinander aufbringen und für das Gute einstehen. Damit es auch unsere Nachkommen besser haben. Aber alles fängt mit unserem Verstand und Herzen an. Wir müssen verstehen und mitempfinden. In jedem von uns ist diese natürliche Veranlagung vorhanden, im Islam Fitra genannt, die uns sagt, dass wir uns gegenseitig mit Würde, Respekt und Anstand behandeln. Dass wir gut zu uns selbst und zueinander sein sollen. Ich wünsche mir sehr, dass wir uns diese natürliche Veranlagung immer wieder bewusst machen und uns gegenseitig unterstützen.
Ich hoffe sehr, dass dir dieser Beitrag gefallen und zum Nachdenken gebracht hat. Schreib mir gerne in den Kommentaren, was du zu dem Thema hältst und welche Erfahrungen du gemacht hast. Ich würde mich sehr über deinen Input freuen!
Deine MindfulMuslima
Sahih Ibn Habban, Hadith Nr. 6160