Wie man Vertrauen aufbaut und mit Enttäuschungen umgeht
Islamische Perspektiven und persönliche Erkenntnisse über Vertrauen, Vergebung und göttliches Vertrauen
You can read this in English.
Assalamu alaikum und willkommen!
„Woran merkt man, dass man jemanden vertrauen kann? Kann man Familienmitgliedern immer vertrauen?“
Als mir eine Leserin und zugleich sehr gute Freundin diese Fragen gestellt hat, musste ich erstmal lange überlegen, bevor ich mir selber die Frage noch einmal gestellt habe ... Woran merkt man es eigentlich? Im Islam hat die Familie und der Zusammenhalt eine sehr große Bedeutung. Die Familie sollte einem im besten Fall sehr nahestehen.
Ich habe mir nie bewusst darüber Gedanken gemacht. Wenn ich zurückblicke, habe ich Menschen, die mir nahe standen sowie Menschen, die mir bei den Erstkontakten ein Gefühl von Zuverlässigkeit gegeben haben, vertraut. Manch einer hat aber dieses Vertrauen missbraucht, sodass ich wie jeder von uns gelernt habe, dass man enttäuscht werden kann, wenn man anderen vertraut.
Mit der Zeit habe ich versucht, herauszufinden, an welchen Anzeichen ich Vertrauenswürdigkeit an einem Menschen erkennen kann. In erster Linie äußern wir verbal unsere Ansichten, Absichten und Vorhaben. Mit der entsprechenden Handlung aber bestätigen wir diese. Ich denke, das ist eines der wichtigsten Anzeichen, die für Vertrauenswürdigkeit sprechen.
Dass wir nach unseren Worten Taten sprechen lassen. Für mich auch ein ganz wichtiger Faktor ist die Absicht. Wenn jemand uns zusichert, zuverlässig und vertrauenswürdig zu sein und dies auch aus einer guten Absicht heraus vorhat, wird diese Person eher versuchen, ihr Wort zu halten. Aber natürlich kann auch eine vertrauenswürdige Person ihr Wort nicht immer halten. Das macht sie aber nicht weniger vertrauenswürdig. Ich denke, dass es in erster Linie um uns selber geht.
Weshalb wird das Vertrauen anderer missachtet?
Sofern man bewusst jemandem das Gefühl von Vertrauen gibt, aber eigentlich andere Intentionen hat - Welche Gründe und Motive könnten dahinter stecken? Ich glaube, dass es unendliche Gründe dafür geben kann, sodass es auch nicht auszuschließen ist, dass nahestehende Menschen wie die eigenen Familienmitglieder dazu in der Lage wären.
Dazu fällt mir die Geschichte vom Propheten Yusuf (as) ein, der von seinen Brüdern getäuscht wurde. Yusuf (as) wurde von Yaqub (as), ebenfalls ein Prophet im Islam, sehr geliebt. Er hatte 10 Brüder, welche aufgrund der großen Liebe ihres Vaters Yusufs gegenüber, sehr eifersüchtig waren. Eines Tages haben diese ihren Vater getäuscht und vorgegeben, mit Yusuf draußen spielen zu gehen. In Wahrheit wollten sie ihn aber loswerden und haben ihn in einen Brunnen geworfen, dabei sein Hemd mit Tierblut verschmiert und ihrem Vater mitgeteilt, dass Yusuf (as) von einem Wolf gefressen wurde. Er (as) wurde jedoch gefunden und in Ägypten von einem Minister aufgenommen und als Sohn aufgezogen. Mit den Jahren, die er dort verbracht hatte, musste er viele Prüfungen durchstehen. Unter anderem musste er ins Gefängnis, weil er der Versuchung der Frau des Ministers widerstanden hat und diese ihn hierfür als Schuldigen dargestellt hat. Durch seine Traumdeutungen konnte er dem Volk in der bevorstehenden Dürre helfen und wurde somit zum Verwalter des Landes ernannt. Als die Brüder während der Dürre nach Ägypten kamen, um Getreide zu kaufen, erkannten sie ihren Bruder nicht wieder, jedoch erkannte Yusuf seine Brüder und offenbarte seine Identität. Am Ende hat er seinen Brüdern verziehen und sie und seine Eltern zu sich geholt, sodass sie wieder vereint waren. 1
Die Geschichte ist in diesem Artikel sehr kurz gefasst, jedoch zeigt sie auf, dass die eigene Familie gegen einen handeln kann. Mir zeigt die Geschichte aber auch, dass Emotionen wie Eifersucht menschlich sind und wir Menschen nicht frei von Fehlern sind. Dass wir uns gegenseitig verzeihen können, auch wenn es sehr viel Überwindung kosten kann. Und ganz besonders zeigt die Geschichte auf, dass wir ausnahmslos immer auf Allah (swt) vertrauen können. Yusuf (as) war seiner unvorstellbaren Situation ausgeliefert: Er wurde von seinen Brüdern gehasst, in den Brunnen geworfen, von fremden Menschen aufgezogen, fern von seinen Eltern, und auch als er älter wurde, musste er Ungerechtigkeit ertragen. Allah (swt) hatte jedoch besseres mit ihm vor und hat ihm eine großartige Wende ermöglicht. Und nicht nur das - er wurde schlussendlich mit seiner Familie vereint, mit welcher er ein viel besseres Verhältnis aufgebaut hatte.
Das Vertrauen zu Allah steht über alles
Die Geschichte von Yusuf (as) hat mir beigebracht, dass wir Menschen nicht fehlerfrei sind und dass wir uns auch gegenseitig enttäuschen können. Das heißt aber nicht unbedingt, dass wir es tun, weil wir jemandem bewusst schaden wollen. Letztendlich ist jeder Mensch die meiste Zeit mit sich selbst beschäftigt. Jeder hat sein persönliches Laster, dass er mit sich schleppt. Und jeder versucht, damit auf seine Art und Weise umzugehen. Und hier ist es ganz besonders wichtig, sich selbst zu reflektieren und ehrlich mit sich selbst zu sein, damit man ehrlich zu seinen Mitmenschen sein kann. Damit bilden wir die Basis von Vertrauen.
Vertrauenswürdigkeit erkennen
Um noch einmal auf die Frage, woran man die Vertrauenswürdigkeit eines anderen erkennt, zurückzugehen: Ich denke, dass wir die meiste Zeit ein Risiko eingehen müssen und dass wir das nie so genau im Voraus sehen können. Dass wir wissen, dass wir einer Person nicht vertrauen können, sobald sie uns bewiesen hat, dass wir ihr nicht vertrauen können. Das kann einem das Gefühl geben, dass einem die Hände gebunden sind und man sich ein Großteil seines Lebens auf Schmerz und Enttäuschung einstellen muss. Jedoch können wir stetig auf Allah (swt) vertrauen, auf Seine Weisheit, auf seine Barmherzigkeit, die alles übertrifft. Jede noch so schmerzhafte Erfahrung im Leben birgt etwas Gutes und Großes mit sich, dass wir nur noch nicht gesehen haben, aber in unserem Leben noch sehen werden. Denn im Quran steht: „Nach der Erschwernis kommt die Erleichterung.“
Vertrauen: Der Schlüssel zu gesunden Beziehungen
Vertrauen ist der Schlüssel zu gesunden Beziehungen. Und das Leben erfordert auch, loszulassen und darauf zu vertrauen, dass Allah (swt) uns mit den richtigen Menschen zusammenführt. Wie wir Vertrauen aufbauen und wem wir vertrauen, beeinflusst unser Leben in unzähligen kleinen Momenten.
Wie sieht es bei dir aus? Was sind deine Erfahrungen und welche Zeichen geben dir das Gefühl, einem Menschen vertrauen zu können?
Wie gut konntest du mit Vertrauensbrüchen umgehen? Welche Erkenntnisse und Lehren konntest du aus diesen ziehen?
Ich freue mich von dir zu hören.
Deine MindfulMuslima
http: / / discoverthemuslimworld.de